• Landratsamt

    Die Prüfung | Teil 2

     

    10:22 Uhr

    Ich parke mein Immigrantenauto auf dem Parkplatz des Landratsamtes und schnappe die Mappe mit meinen Gehaltsnachweisen vom Beifahrersitz. Es regnet wie verrückt und der Parkautomat ist am anderen Ende des Parkplatzes. Eigentlich fast vor der Eingangstür zum Landratsamt. Kurz überlege ich, ob ich jetzt ernsthaft vor, dann wieder zurück ans Auto und dann wieder vor laufen soll, oder ob ich es einfach bleiben lasse mit dem Parkschein.

    Nein. Ich kann doch mein Deutscherwerden nicht mit einem Vergehen beginnen. Oder beenden? Egal.

    Ich zahle zur Sicherheit einen Euro mehr und gehe an die Information. Zimmer 61 stand im Schreiben. Keine Ahnung, wo das ist. Aber dafür ist die Informationstheke ja da.

    10:24 Uhr

    Die junge Frau hinter der Theke, neben welcher ein Schild mit der Aufschrift Azubi steht, bemerkt, dass ich mich offenbar mit der Absicht eine Frage zu stellen in ihre Richtung bewege. Ihr Gesichtsausdruck wechselt schlagartig von entspanntinsnichtsgucken über verdammtwoistmeinkollege hin zu ohoherkommtzumiromgomgomg. 

    Entschuldigung. Ich habe einen Termin bei Frau T.

    Ihr Blick entspannt sich schlagartig und plötzlich kann die junge Frau lächeln. Offenbar kann Sie mir helfen und ist mindestens ebenso darüber erleichtert, wie ich es bin.

    Frau T. von der Stadtplanung oder vom Ausländeramt?

    Ob das eine Fangfrage ist? Nein, das schafft sie nicht.

    Ausländeramt, bitte.

    Ich soll einfach ins Gebäude gegenüber gehen, dort finde ich meine Ansprechpartnerin.

    Gesagt, getan. Ich komme durch die -Ausländer-Schleuse und befinde mich in einem extrem verwinkelten Foyer. Und jetzt? Links ein langer Flur mit Bürozimmern links und rechts. Rechts ein kleiner Wartebereich, in welchem eine Frau, Mitte 50, mit Kopftuch sitzt und mich verwundert mustert. Vor mir eine Schalttafel, die aussieht, als ob sie direkt aus den 70ern importiert wurde. Mit einem Labeldrucker wurden die Namen der Beamten und Beamtinnen neben leuchtende (oder auch nicht) Signallampen geklebt. Frau T. leuchtet grün. Heißt das, ich kann rein? Ich kann doch nicht einfach da reinspazieren?

    Über der Schalttafel ist ein moderner LC-Bildschirm mit dem bekannten Nummerziehen-Aufrufsystem. Zimmer 61 ist mein Ziel. Auf dem Bildschirm steht: Z61->0012

    Ich drehe mich elegant auf meinem linken Bein schwungvoll um mich selbst und halte Ausschau nach einem Nummerzieh-Automaten. Fehlanzeige. Was soll der Blödsinn? Brauch ich jetzt eine Nummer? Werde ich einfach abgeholt oder gehe ich vor und Klopfe an Zimmer 61? Ich hab ja schließlich einen Termin vereinbart.

    Ich beschließe zurück an die Information zu gehen und zu Fragen. Immerhin ist der Weg zwischen den beiden Gebäuden überdacht, denn es regnet immer noch.

    Der Kollege ist diesmal auch da. Die Auszubildende verkriecht sich in einem Leitzordner, als sie mich sieht. Also gehe ich zu ihm.

    Entschuldigung. Ich habe einen Termin, bin aber unsicher, ob ich einfach klopfen soll, oder ob ich eine Nummer ziehen muss. Was soll ich tun?

    Der Kollege schaut mich verwundert an, räuspert sich und antwortet:

    Ähm. Nun. Ich weiß auch nicht genau. Ich glaube das Nummernsystem drüben .. ähm .. das ist nur für die Ausländerbehörde .. oder das tut nicht richtig. Ich bin nicht sicher. Gehen Sie doch einfach ans Zimmer und klopfen Sie. Die Kolleginnen werden Ihnen dann weiterhelfen können.

    Was zum…? Doch wieder eine versteckte Kamera?

    Ich laufe wieder rüber. Die Frau mit Kopftuch schaut mich inzwischen noch grimmiger an als vorhin. Vielleicht weil sie Angst hat, dass ich mich vordrängeln will? Mir doch egal. Ich laufe direkt in den Flur. Zimmer 44, 46, 48, 52, 54 … Alle Türen stehen offen. Wie in einem italienischen Krankenhaus. Abwechselnd erhaschen mich von links und rechts fragende Blicke. Ich fühle mich wie ein Eindringling. Nein – besser: Wie ein Neuling im Knast, der zu seiner Zelle läuft.

    Zimmer 61 ist natürlich das letzte Zimmer des Flures. Die Tür steht halb offen. Ich klopfe und trete ein. Frau T. Da ist sie.

    Hallo Herr Biasi! Schön, dass Sie da sind. Hier ist Ihre Zahlkarte. Bitte gehen Sie direkt zum Kassenautomaten, um die Gebühr zu bezahlen und dann kommen Sie wieder, damit wir beginnen können.

    Klar. Erstmal bezahlen. Ich nehme die Karte, laufe den Flur wieder zurück, auf die andere Seite um meine 255€ zu bezahlen.

     

     

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